Eva Hradil

Die Malende. Die Schreibende.

„Pia schreibt“, dieses kleine Bild von Eva Hradil begleitet mich seit langem, hängt über unserem Küchentisch. Viele, die es sehen, meinen, die Schreibende sei ich. Ich kenne Pia nicht. Aber ich kenne Eva seit langem, wir begegnen einander immer wieder an den unterschiedlichsten Berührungspunkte. Ein wesentlicher liegt im im lateinischen Ursprung der Begriffe „Text“ und „Textil“ – texere, zusammenfügen, weben, verknüpfen.

Die erste Begegnung mit ihren Bildern war in der Ausstellung „Lesende Männer, schreibende Frauen“. Aus diesem Zyklus ist auch das ganz in Rottönen gehaltene Bild „Pia schreibt“. Das Bild strahlt viel Konzentration und Ruhe aus, schafft diesen eigenen, beinahe schalldichten Raum, der im Glücksfall beim vertieften Lesen, Schreiben oder Malen entsteht.

Bald nach der Ausstellung besuche ich Eva in ihrem Atelier, damals im 10. Bezirk. Sie macht Kaffee in einer alten Espressokanne, die sie auch immer wieder gemalt hat, so wie viele andere Kannen, Schuhe, Sessel, … Gemalt, aber nicht abgebildet. Die Gegenstände lösen sich in farbige Linien und Formen auf. Es geht um Neuschöpfungen auf der Bildfläche und darüber hinaus in Form dreidimensionale Objekte und Installationen. Viel Zärtlichkeit und Ironie sind in ihrem Umgang mit den Dingen zu spüren, mit dem Naheliegenden, mit dem, was die Haushalte von drei Frauen mit sich bringen: Möbel, Gegenstände, Textilien, Gewand. Diese Dinge sind da. Eva hat sich ihrer angenommen und sie in ihren Haushalt und ihre Kunst integriert. Sie verbindet und verbündet sich mit den Dingen, mit Zärtlichkeit und Distanz zugleich.

„Wie male ich ohne abzubilden und schaffe Raum im Bild“ ist die zentrale Frage, die Eva mit ihrer Malerei zu beantworten sucht. Für einen Gegenstand, eine Erlebnis, eine Empfindung sucht sie eine Form auf der Leinwand. Gegenstände werden auf der Bildfläche zerlegt, neue in Beziehung gesetzt, konkrete Formen so lange verschachtelt und übereinandergelegt, bis etwas Neues, Abstraktes entsteht. Das Bildgeschehen bekommt eine eigene Dynamik.

Eva hat eine erstaunliche Begabung, zusammenzufügen, weit über die Bildfläche hinaus. Von der Flächen- zur Raumbewirtschaftung, vom Bild zum Objekt, zur Installation bis hin zur Ausstellungs- und Symposiumsgestaltung. „Ich vernetze gerne Flächen und Formen, Farben und Linien. Und ich vernetze sehr gerne Menschen.“ schreibt Eva in der Einladung zu einem ihrer zahlreichen Atelierfeste. In ihrer aktuellen Arbeit FARB auf WEISS, 1000 Namen zuerst neben-, dann ineinander gemalt spannt sich der Bogen wieder zurück zum Bild, in dem Vernetzung auf mehreren Ebenen geschieht. Viele Fäden ihrer bisherigen Arbeit laufen in diesem Bildprojekt zusammen, etwas eine frühe Arbeit, Porträts von 50 Personen, die Arbeit „Wiener Reigen“ mit 33 Tangotänzerinnen so wie die Bildversuche, Worte und Buchstaben durch Überlagerungen zu abstrahieren und gleichzeitig eine gewisse Lesbarkeit zu bewahren.

Ihre zärtliche Komplizenschaft mit den Dingen ermöglicht auch Verwandlung durch vordergründige Zerstörung. Sie schreckt auch nicht davor zurück, eine Ausstellung „Hausfrauenkunst“ zu nennen (was dann allerdings die Veranstalter ablehnen), sich mit Idylle auseinanderzusetzen, eine Brautkleidinstallation in einer Waschküche zu inszenieren.

Immer wieder ist der eigene Mikrokosmos Ausgangspunkt für ihre Ideen- und Formfindung. Allerdings sind es durchaus wechselnde Mikrokosmen, in denen Eva lebt und arbeitet, nicht nur durch ihre beiden Lebensorte Orth an der Donau und Wien, sondern vor allem durch zahlreiche Artist in Residence Ateliers in China, Ungarn, Liechtenstein, Irland, Tschechien, … Die wechselnden Orte und spezifischen Arbeitsmöglichkeiten hinterlassen ihre Spuren in Evas Kunst. Ihr Lebens- und Werklauf berühren einander immer wieder, eines ergibt das andere. Vieles verbindet sie scheinbar mühelos. Auf der Leinwand und darüber hinaus. Das Nomadische und das Naheliegende.

Brigitta Höpler